“Lebe wohl den
frühen Tagen,
die mit Sommer,
stillem Land
angefüllt und
glücklich lagen
in des Kindes
Träumerhand.
Lebe Wohl, du
großes Werde,
Über Feldern,
See und Haus,
In Gewittern
brach die Erde
Zu gerechtem
Walten aus.
Lebe Wohl, was
je an Ahnen
Mich aus solchem
Sein gezeugt,
Das sich noch
den Sonnenbahnen,
Das sich noch
der Nacht gebeugt.
Von dem Frühen
zu dem Späten,
Und die Bilder
sinken ab –
Lebe wohl, aus
großen Städten
Ohne Traum und
ohne Grab.” (“Lied.” Benn, 1973, p.40).
“Verlornes Ich,
zersprengt von Stratosphären,
Opfer des Ion -:
Gamma-Strahlen-Lamm-
Teilchen und
Feld -: Unendlichkeitsschimären
Auf deinem
grauen Stein vonNotre-Dame.
Die Tage gehn
dir ohne Nacht und Morgen,
Die Jahre halten
ohne Schnee und Frucht
Bedrohend das
Unendliche verborgen –
Die Welt als
Flucht.” (“Verlornes Ich.” Benn, 1973, p.48).
“Ach vergeblich
das Fahren!
Spät erst
erfahren Sie sich:
Bleiben und
stille bewahren
Das sich
umgrenzende Ich.” (“Reisen.” Benn, 1973, p.64).
“Durch so viel
Formen geschritten,
durch Ich und
Wir und Du,
doch alles blieb
erlitten
durch die ewige
Frage: wozu?
Das ist eine
Kinderfrage
Dir wurde erst
spat bewußt
Es gibt nu
reins: ertrage
- ob Sinn, ob
Sucht, ob Sage –
dein fernbestimmtes: Du mußt.
Ob Rosen, ob Schnee ob Meere,
Was alles erblühte verblich,
Es gibt nur zwei Dinge: die Leere
Und das gezeichnete Ich.” (“Das gezeichnete
Ich.” Benn, 1973, p.78).
“Niemand weiß,
wo sich die Keime nähren,
miemand, ob die
Krone einmal blüht –
Halten, Harren,
sich gewähren
Dunkeln, Altern,
Aprèlude.” (“Aprèslude.” Benn, 1973, p.89).
“Ich habe mich
oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte
und das Gute kommt,
weiß es auch
heute nicht und muß nun gehn.” (“Menschen getroffen.” Benn, 1973, p.90).
“Hör zu, so wird
der letzte Abend sein,
wo du noch
ausgehn kannst; du rauchst die >Juno<,
>Würzburger
Hofbräu< drei, und du liest die Uno,
wie sie der
>Spiegel< sieht, du sitzt allein
an kleinen
Tischen, an abgrschlossenem Rund
dicht an der
Heizung, den du liebst das Warme.
Um dich das
Menschentum und sein Gebarme,
Das Ehepaar und
der verhaßte Hund.
Mehr bist du
nicht, kein Haus, kein Hügel dein,
Zu träumen in
ein sonniges Gelände,
Dich schlossen
immer ziemlich enge Wände
Von der Geburt
bis diesen Abend ein.
Mehr warst du
nich, doch Zeus und alle Macht,
das All, die
großen Geister, alle Sonnen
sind auch für
dich geschehn, durch die geronnen
mehr warst du
nicht, beendet wie begonnen –
der letzte Abend
– gute Nacht.” (“Hör zu.” Benn, 1973, p.95).
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